Galeis Afghanischer Imbiss – Heppenheim

Galeis Afghanischer Imbiss – Heppenheim

Eine Kritik über ein Essen, das eigentlich Currywurst werden sollte – und dann beschlossen hat, mich glücklicher zu machen

Es gibt Tage, die beginnen harmlos und enden unerwartet köstlich.

So ein Tag war heute.

Ich hatte dieses seltene, fast mythologische Ereignis: einen freien Samstag.

Der Plan war simpel: Weihnachtsgeschenke kaufen.

Mein Magen allerdings hatte andere Pläne und malte mir innerlich eine Currywurst mit Pommes – klassisch, unkompliziert, so deutsch wie ein Leberkäsbrötchen im Stau.

Doch auf dem Parkplatz in Heppenheim an der Schnellstraße stand nicht die erwartete Bratwurstbude.

Stattdessen: ein afghanischer Imbiss. Und zwar einer, der so aus voller Seele afghanisch ist, dass man beim Betreten sofort das Gefühl bekommt, in eine andere Welt zu stolpern.

Ein Ort, der riecht wie eine Seite aus einem Gewürzbuch, die aus Versehen in der Sonne getrocknet wurde. Drinnen: Galei.

Eine Frau mit einem Lächeln, das so warm ist, dass man spontan beschließt, seinen Wintermantel nicht mehr zu brauchen.

Herzlich, strahlend, authentisch – und mit einer Selbstverständlichkeit in der Stimme, die nichts aufgesetzt hat.

Galei kam als Kind nach Deutschland, lernte das Kochen von ihrer Mutter, und man merkt in jeder Sekunde: Sie lebt diese Küche.

Noch bevor ich etwas sagen konnte, blickte sie mich an und erklärte:

„Hier sprechen wir uns alle mit Du an.“

Und in diesem Moment war klar: Hier isst man nicht einfach. Hier gehört man dazu. Die Lammkeule, die eigentlich nicht in einen Imbiss gehört – aber unbedingt dorthin musste

Ich bestellte die geschmorte Lammkeule. Ein Gericht, das man in einem Imbiss ungefähr so erwartet wie ein meditierendes Kamel im Wartezimmer der TÜV-Hauptuntersuchung.

Während das Lamm seine finalen Vorbereitungen traf, kamen wir ins Gespräch.

Ich erzählte Galei, dass ich mir einen Kazan gekauft hatte – einen afghanischen Schnellkochtopf, der optisch wirkt, als könne man damit zur Not ein kleines Raumschiff reparieren.

„Benutzt habe ich ihn allerdings noch nicht“, gestand ich.

Galei lächelte dieses wissende Lächeln, das gleichzeitig sanft und unerbittlich ehrlich ist, und sagte:

„Ich benutze den Kazan gar nicht. Meine Lammkeule schmort zwei Tage.“ 

Zwei Tage. Das ist kein Kochen. Das ist eine Beziehung. Der Moment, in dem das Essen den Raum übernimmt. Dann kam die Lammkeule. Nicht serviert. Nicht abgestellt. Sondern inszeniert.

Butterweich, zart bis ins Mark – das Messer war reine Dekoration.

Das Aroma breitete sich aus wie ein kleiner Gewürzgeist: Zimt, Koriander, Nelke. Warm. Tief. Wohltuend. Der Reis daneben war locker, körnig, leicht süßlich durch Karotte und Rosine – mit einem Schmelz, den man sonst nur aus den Erzählungen älterer, weiser Menschen kennt.

Und davor gab es ein Bolani als Gruß aus der Küche:

knusprig, saftig, heiß – reine Teigmagie. Warum Essen selten so gut schmeckt wie an Orten, die man nicht geplant hat. Bei Galei ist man kein Kunde. Man ist Gast. Oder besser: kurzfristig adoptiert. Ihre Küche funktioniert nicht nach Uhrzeiten, Trends oder Diätempfehlungen. Sie funktioniert nach Geschmack. Nach Herz. Nach Zeit.  Und genau deshalb schmeckt es so gut. Ich kann ohne Übertreibung sagen: Das war nicht mein letzter Besuch.

Ich bin offiziell Stammkunde in Ausbildung. 

Zurück zum Blog