Ein Reisebericht: Colmar, ein Wochenende und die Kunst, wie man glücklich is(s)t

Ein Reisebericht: Colmar, ein Wochenende und die Kunst, wie man glücklich is(s)t

Colmar, ein Wochenende und die Kunst, wie man glücklich i(s)st

Es gibt Zeiten im Leben, da rennt alles schneller, als man selbst hinterherkommt – Monate, die wie ein übermotiviertes Perpetuum mobile wirken: laut, schnell, abwechslungsreich, aber ohne Pause für das, was eigentlich wichtig wäre.
Genuss verliert dann seine Farbe. Er wird zu einer Erinnerung.
Und genau deshalb fühlte sich dieses Wochenende so an, als hätte jemand heimlich auf „Neustart“ gedrückt.

Eigentlich sollte es nach Straßburg gehen.
Eigentlich.
Doch mitten auf der Fahrt, begleitet von einem Blick, der mehr Vorschlag als Frage war, wurde klar:
Colmar. Heute.
Nicht geplant. Nicht diskutiert. Einfach entschieden – oder vielleicht eher gespürt.

Vom Parkhaus „Saint Jose“ waren es zwei Minuten bis zur Altstadt.
Zwei Minuten, in denen sich die Welt verwandelte.

Colmar im Dezember sieht nicht aus wie ein Weihnachtsmarkt.
Colmar ist ein Weihnachtsmarkt.
Ein einziger, zusammenhängender, funkelnder Organismus aus Licht und Duft und Farbe.
Ein Gewürzdrama, ein Lichtertheater, ein Architektur-Ballett.
Fachwerkfassaden, überzogen mit Girlanden, Zuckerstangen und überquellenden Blumenkästen, in denen statt Blumen plötzlich Teddybären wohnen.
Fensterbretter voller goldener Sterne.
Balkone, die aussehen, als hätten sie ein geheimes Abkommen mit dem Nordpol unterschrieben.
Und überall: Menschen, die staunen – und zwar nicht nur Kinder.
Auch Erwachsene hatten dieses Polarexpress-Leuchten in den Augen, dieses „Ich weiß gar nicht, wohin ich zuerst schauen soll“-Gefühl, das man zuletzt in sehr jungem Alter besaß.

Wir schlenderten.
Nicht gingen.
Nicht liefen.
Wir schlender-ten, ein Wort, das man viel öfter benutzen sollte, weil es die Bewegungsform beschreibt, bei der Gedanken Raum bekommen und die Welt ein bisschen hübscher wirkt.

Hier blieb unser Blick an einer Fassade hängen, die nach Zuckerguss aussah.
Dort dufte es nach Zimt, Nelke und etwas Geheimnisvollem, das es offiziell nicht gibt, aber jeder kennt.
Beim Riesenrad standen wir einen Moment still – die Schlange war so lang, dass man unterwegs wahrscheinlich neue Freundschaften, Erkenntnisse und ein paar Lebensentscheidungen gesammelt hätte.
Also ließen wir es.
Und ließen uns weitertreiben.

Es regnete kurz, sanft, wie ein Hinweis des Himmels, dass unser neues Regenschirm-Accessoire dringend getestet werden sollte.
Und so gingen wir weiter, mit Schirm, Schritten und Stimmung im Gleichklang.
Keine Eile.
Keine Agenda. 
Nur dieses stille Gefühl, dass der Tag sich gerade von allein trägt.
In einem Gasthaus, das aussah wie ein Ort, der „Hereinspaziert“ sagt, bevor man überhaupt den Türgriff berührt, gab es Flammkuchen mit Räucherlachs.
Die Knusprigkeit war ein kleines Gedicht.
Der Lachs ein ruhiger Räucherbariton, der die Stimmung perfekt traf.
Ein französisches Pärchen setzte sich zu uns – herzlich, offen, gut gelaunt – und ihr Lachen mischte sich mit unserem, als wäre es Teil des Rezepts.

Danach kam ein Rösti mit Münsterkäse, warm wie ein Versprechen, das man gerne glaubt.
Und schließlich Foie Gras – eine Delikatesse, über die man viel diskutieren kann, die aber für mich untrennbar zu dieser elsässischen Kulisse gehört.

Doch das eigentliche Geheimnis dieses Wochenendes lag nicht im Essen, auch wenn es hervorragend war.
Es lag zwischen dem Essen.
Zwischen Gesprächen und Lichtern.
Zwischen Gassen und Blickwechseln.
Zwischen dem „Hier“ und dem „Was für ein Glück, dass wir genau jetzt hier sind“

Es lag in dieser Erkenntnis, die sich nicht aufdrängt, sondern nur zeigt, wenn man bereit ist, den Tag machen zu lassen:
Ein großer Teil der Stimmung hängt davon ab, mit wem man i(s)st.

Colmar zeigte mir etwas sehr Altes, sehr Einfaches und sehr Wahres:
Genuss ist kein Gericht.
Genuss ist eine Haltung.
Ein Tempo.
Und die Entscheidung, sich für Genuss Zeit zu nehmen.

Oder, wie mein alter Leitspruch sagt:
Zeit zum Essen!!!
Und manchmal ein Wegweiser.

So glücklich i(s)st man. 

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